Ausweichmanöver kann Rettungstat sein und dem Unfallversicherungsschutz unterliegen

  • 03. Juli 2017

Die Anerkennung von Arbeitsunfällen, insbesondere wenn es sich um Wegunfälle handelt, landet sehr häufig vor den Gerichten. In einem besonderen Fall hatte das Sozialgericht Dortmund zu urteilen (02.11.2016 S 17 U 955/14): ein Motorradfahrer fuhr ein Ausweichmanöver, um nicht mit einem Fahrradfahrer zu kollidieren.

Die gesetzliche Unfallversicherung hatte die Anerkennung des Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall mit folgender Begründung abgelehnt: Personen, die bei Unglücksfällen Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten, seien zwar gesetzlich unfallversichert, der Motorradfahrer habe jedoch nur zur Vermeidung eines Zusammenstoßes eine Vollbremsung eingeleitet, sodass die Vollbremsung auch dem eigenen Schutz des Motorradfahrers gedient habe.

Das Sozialgericht urteilte jedoch im Sinne des Motorradfahrers. Der Motorradfahrer hat, indem er seinem potentiellen Unfallgegner ausgewichen ist, diesen aus erheblicher Gefahr für dessen Gesundheit gerettet, möglicherweise ihm sogar das Leben gerettet. Der Umstand, dass der Motorradfahrer die Rettungshandlung nicht mit zeitlichem Vorlauf geplant vorgenommen, sondern in Sekundenbruchteilen gehandelt hat, begründet keine andere Bewertung. Auch eine spontan, ohne intensive Überlegung verrichtete Rettungstat unterliegt dem zitierten Tatbestand eines Ersthelfers. Dies hat das Bundessozialgericht explizit für ein Ausweichmanöver im Straßenverkehr entschieden (BSG, Urteil v. 30.11.1982, Az.: 2 RU 70/81, BSGE 54, S. 190 ff). Gefahrensituationen sind nach der Urteilsbegründung des Sozialgerichts geradezu immanent, sodass sie überraschend auftreten und für die Rettungsentscheidung keine lange Überlegung dulden.

Das Gericht folgte auch nicht der Argumentation der gesetzlichen Unfallversicherung, dass der Motorradfahrer mit seiner Ausweichhandlung nicht allein den betreffenden Fahrradfahrer, sondern auch seine eigene Person habe retten wollen. Für das Sozialgericht bestand im Gegensatz zur gesetzlichen Unfallversicherung kein „vernunftgetragener Zweifel“, dass bei einem Zusammenstoß die Gefahr für den Unfallgegner ungleich größer gewesen wäre, eine schwerwiegende Verletzung zu erleiden, als für den Motorradfahrer.